Wenn der Vorhang fällt (Filmkritik)

Gestern Abend hatte ich das Vergnügen mir mit Dennis eine Kinopremiere geben zu dürfen. „Wenn der Vorhang fällt“, ein alter Freundeskreis-Songtitel, dient der Dokumentation von Filmemacher Michael Münch als Titelvorlage. Nicht mehr oder weniger als einen Film über 30 Jahre deutschen Rap und dessen Entwicklung hatte mir die Facebook Veranstaltung versprochen. Im Film selbst, viel mehr noch in der anschließenden Diskussion, zeigte sich, dass dieser Anspruch nicht erfüllbar ist.

Doch das positive vorweg: „Wenn der Vorhang fällt“ ist ein wunderbar unaufgeregter Gegenentwurf zu dem selbst-darstellerischen Youtube-Output zeitgenössischer Rapkünstler oder TKKG-spielenden Journalisten auf der Suche nach imaginären Freunden. Michael Münch beschränkt sich nahezu ausschließlich darauf 80 Minuten lang O-Töne aneinander zu reihen. Seriös, angenehm geschnitten, wohltemperiert in der Ansprache. Schnell liegt an diesem Abend spürbar der Pathos und die Nostalgie mit in der sticken Luft des Kinosaals. Dank einer Vielzahl an Gesprächspartnern der Deutschrap-Anfangszeit wird somit der längste Teil des Films zum emotionalen Lagerfeuer, voller Anekdoten und Erzählungen einer glorreichen alten Zeit.

Diese Protagonisten-Dichte geht dem Film für spätere Jahre der Kultur, sprich für die Jahre nach 2000, leider abhanden. Kamen zur Ausführung früherer Jahrzehnte noch die hauptsächlich handelnden Protagonisten- von Heidelberg bis Hamburg – selbst zu Wort, so kämpfen im späteren Teil des Film wenige Sido-Otöne gegen die geballte Deutungshoheit der 99er-Rapgrößen an, gipfelnd darin, dass DJ Mad sämtlichen deutschen Gangster-, Street und Battlerap in bester Trump-äfft-Behinderte-nach-Manier als minderbemittelt darstellen darf – „außer Savas, den will ich hier explizit rausnehmen“, so sein Zitat.

„Er habe mit 12 aufgehört Sido zu hören und ihn erst mit 20 wieder cool gefunden“ verrät Michael Münch in der anschließenden Diskussion. Ein Statement, dass wohl jeder so oder so ähnlich aus seinem Freundeskreis kennt, der sich Mitte der 2000er Jahre dem ständigen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sah seine Lieblingsmusik gegen die Früher-war-alles-besser-Fraktion und die Hip-Hop-Polizei zu verteidigen. „Früher hätten die Künstler die Musik einfach viel mehr geliebt“ kommt als Redebeitrag von einem Zuschauer: zustimmendes Nicken und nostalgischen seufzen quer durch alle Reihen des Kinosaals. „Das müsse man differenzierter betrachten“ antwortet der Regisseur immerhin.

Zur Wahrheit gehört auch, „Wenn der Vorhang fällt“ ist eine Produktion in der viel Idealismus steckt. Ein kleines Team unbekannter Filmemacher, die ihr Baby nicht nur selbst produziert sondern auch selbst finanziert hat. Und das entgegen aller Widrigkeiten von Labels, Managern, Bookern, Agenturen und was die Musikindustrie sonst noch an Figuren zu bieten hat. So hatten die Macher schlichtweg auch mit Absagen an Interviewpartnern umzugehen.

Und so ist, aller Kritik zum Trotz, „Wenn der Vorhang fällt“ ein angenehm anzusehendes Zeitzeugen-Stück aus verschiedenen Epochen der deutschsprachigen Rapkultur geworden und für Hip Hop Begeisterte quer durch die Republik mit Sicherheit den Gang ins Kino wert.

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